SWR4 Sonntagsgedanken

14JUL2024
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Was tue ich nicht alles, um einen guten Eindruck zu hinterlassen! Vermutlich mehr als gut ist. Aber es liegt mir etwas daran, dass andere mich sympathisch finden und sich auf mich verlassen können. Ich vermute: Auf die eine oder andere Art und Weise ist das vielen von uns wichtig. Eine gute Figur zu machen. Ich ziehe mich deshalb schön an und gehe freundlich mit anderen um. Ich erledige meine Aufgaben gewissenhaft und achte darauf, dass mein Garten gepflegt ist. Es kann sein, dass ich es dabei hin und wieder übertreibe, um nur ja einen guten Eindruck zu machen. Zu viel des Guten, ist nicht gut, weil es dann künstlich wirkt und nach Fassade aussieht. Denn zuletzt kommt es darauf an, wer ich wirklich bin und nicht, was andere über mich denken. Am Ende zählt nur, was echt ist: mein Wesen, mein Charakter. Das trifft es womöglich am besten. Alles andere ist Schall und Rauch, unnötiger Ballast.

Zu diesen Überlegungen passt für mich eine Bibelstelle. Dort wird berichtet, wie Jesus seine Jünger aussendet. Die Frauen und Männer also, die sich ihm angeschlossen haben. Es heißt dann: Er (Jesus) gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen[1]. Die mit ihm schon eine Weile unterwegs gewesen sind, wissen inzwischen, was sie zu tun haben. Jesus hat sie gelehrt, worauf es ankommt, wenn man an Gott glaubt. Bevor sie allein losziehen, schwört er sie nochmals darauf ein. Sie sollen friedlich bleiben, bei allem, was sie tun, und den Leuten nicht die Botschaft penetrant aufzwingen. Wer sich ihnen anschließen will, muss es freiwillig tun. Nie sollen sie Gleiches mit Gleichem vergelten. Wer ihnen unfreundlich begegnet, von dem sollen sie sich fernhalten. Besonders wichtig ist Jesus, dass seine Jünger sich um die kümmern, denen es schlecht geht oder die schwach sind: Kranke, Alte, Kinder. Er und die Seinen gehören immer an die Seite derer, die am Rand stehen, von der Mehrheit abgedrängt worden sind. Und offenbar will Jesus auch nicht, dass seine Leute Eindruck schinden durch Äußerlichkeiten. Das muss der Grund sein, weshalb er sie ohne alles wegschickt und das so drastisch verlangt. Nur was sie am Leib haben; das genügt. Keine Vorräte für Notzeiten, keine Rücklagen für den Fall der Fälle. Mir scheint das sehr klug zu sein. Weil Jesus will, dass sie, so gut es nur geht, ihre Existenz auf Gott bauen – auf nichts anderes; dass sie jeden Tag so annehmen, wie er kommt; dass sie allen Menschen so echt wie möglich begegnen. Aber es ist nicht nur klug, sondern auch schwer, weil es die Jünger fast nackt dastehen lässt, schutzlos. Und so ein Risiko, das muss man erst mal zu tragen bereit sein.

ZWISCHENMUSIK

Soll ich einen guten Eindruck machen und dafür Zeit und Geld investieren? Oder auf alle Äußerlichkeiten verzichten und eben das tun und sagen, wovon ich überzeugt bin – auch wenn es andere irritiert? Jesus hat dazu eine klare Meinung. Darüber spreche ich heute in den SWR4-Sonntagsgedanken.

Schöner Schein? Nichts für Jesus. Die Anweisung an seine Jüngerinnen und Jünger ist mehr als klar: Haltet euch nicht an Äußerlichkeiten auf. Vermeidet alles, was euch unnötig belastet. Ihr seid nur dann echt, wenn ihr jede Show vermeidet. Muss ich mir das zu Herzen nehmen? Oder kann ich mich aus der Affäre ziehen und denken: „Damals mag das gepasst haben, aber ich lebe in einer anderen Welt.“

Zwischen dem Neuen Testament der Bibel und mir liegen fast zweitausend Jahre. Immer, wenn ich mich auf die Bibel beziehe, muss ich diese Distanz überwinden. Gilt das noch für heute, was da steht? Auch für meinen Lebensstil, für mich als Person, für meine Identität als Christ ist die Bibel die einzig verlässliche Quelle, auf die ich zurückgreifen kann.

Wie soll ich also mit der Anweisung Jesu umgehen? Außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Ich will ja ein moderner Jesus-Jünger sein; also muss ich das beherzigen und auf mein Leben anwenden. Ich versuche es so: Wo es darum geht, Gott ins Spiel zu bringen, auf Gott hinzuweisen, tritt alles Überflüssige in den Hintergrund. Ich helfe mit, damit das gelingen kann.

Ein Beispiel dazu: Ich hatte vor kurzem eine Trauung. Das Äußere war wie immer. Ein besonders festlich gekleidetes Paar, ein feierlicher Gottesdienst, schöne Musik, usw. Aber etwas war anders. Das Paar hat zehn Jahre lang gekämpft – mit Krankheit, Studium, Berufswahl, der eigenen Biografie, bis heute. Sie haben auch miteinander gekämpft, um ihre Liebe. Und mit Gott, von dem sie nicht ablassen wollten. Das habe ich gespürt und in meiner Predigt vorsichtig darüber gesprochen. In der Hoffnung, dass auch die Anwesenden etwas davon spüren. Sie und ich haben in diesem Moment alles ums uns herum vergessen: die gotische Kirche, die schick angezogenen Freunde, die ganze Oberfläche war auf einmal nebensächlich. Weil es dann nur noch auf die nackte Liebe dieser beiden Menschen ankam, in der uns Gott begegnet ist. Was für ein heiliger Moment! So schön, wie nichts sein könnte, was wir Menschen selbst machen und besitzen.

 

[1] Markus 6,8f.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40242
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