SWR1 Anstöße sonn- und feiertags

30JUN2024
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Uns hat schier der Schlag getroffen! Da kommen wir sonntagnachmittags von einer Radtour nach Hause und finden unseren Garten verwüstet vor. Unser schöner Rasen: eine einzige Kraterlandschaft. Überall knöcheltiefe Löcher – als wäre gerade eine Armee mit schwerem Gerät hindurch getrampelt.

Was ist passiert? Nun, während der Schützenverein im nahe gelegenen Schützenhaus mit vielen Kanonenböllern sein Vereinsfest gefeiert hat, ist nebenan eine Herde friedlich grasender Kühe durchgedreht, hat Reißaus genommen und auf der Flucht vor dem ohrenbetäubenden Lärm unseren Garten heimgesucht. So hat es uns der zerknirschte Jungbauer erzählt, der kurz darauf bei uns aufgetaucht ist, um den Schaden zu begutachten. Seine Kühe hatte er inzwischen zum Glück wieder eingefangen und in Sicherheit gebracht.

Wir standen da und haben diskutiert, wer wohl für die ganze Misere verantwortlich ist. Ein typischer Kollateralschaden, hab‘ ich gedacht. Und bin gleichzeitig bei dieser Wortwahl zusammengezuckt: Kollateralschaden; das Wort kommt aus der Militärsprache und bezeichnet einen Schaden, der nicht beabsichtigt ist, sich aber nicht hat vermeiden lassen. Und zwar einen Schaden an unschuldigen Menschen. Gemeint sind Zivilisten, die in einem Krieg zwischen die Fronten geraten und ums Leben gekommen sind.

Es ist ein grausames Wort; aufgekommen in den 1990er Jahren während der jugoslawischen Nachfolgekriege und am Ende der Dekade sogar zum Unwort des Jahres gewählt. Denn was so betont sachlich klingt, meint doch Menschen: Opfer von Bombenangriffen, Massenvergewaltigungen, Plünderungen, jahrelang anhaltende Traumatisierungen. Das alles sind Kollateralschäden von Kriegseinsätzen. Tiefe, zerfranste Kraterlöcher im Leben von Menschen. Wie lange wird es dauern, bis sie geheilt sind? Eine Generation oder zwei? Wieviel Güte und Liebe, wieviel Versöhnliches muss hineingeschüttet werden, damit die Schäden wieder gut werden?

Wer in unserem Garten am Ende für den Schaden aufkommt, ist immer noch nicht klar. Aber wir haben inzwischen angefangen, die Löcher mit frischer Erde zu befüllen und Gras auszusäen. Eine mühevolle Arbeit. Aber nichts im Vergleich zu der immensen Versöhnungsarbeit, die nach einem Krieg zu leisten sein wird. Im Garten habe ich gelernt: Ich will nicht warten, bis ein Schuldiger gefunden und alles vernarbt ist. Ich will anfangen, Wunden zu heilen.    

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40185
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