Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

04JUL2024
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„Wir müssen öfter für möglich halten, dass auch die anderen mal recht haben!“ Diesen bemerkenswerten Satz habe ich von einem jungen Politiker gehört. Es ging darum, wie die Parteien im Bundestag miteinander streiten. Da gehen nämlich alle erst einmal davon aus, dass die anderen Unrecht haben. Wir alle tun uns mitunter schwer, wenn uns die anderen widersprechen.

Unsere Umgebung gibt uns selten einfach nur recht. Und es ist nicht schön, wenn wir mit unserer Meinung ganz alleine dastehen. Und doch kann es befreiend und bereichernd sein.

So erlebt es Jesus einmal, als er auf einer Auslandsreise einer fremden Frau begegnet. Sie – eine Heidin – stellt sich ihm in den Weg, als er gerade mit seinen Leuten unterwegs ist.

„Bitte mach meine Tochter gesund!“, sagt die Frau zu Jesus. Jesus reagiert zuerst abweisend, weil er sich als jüdischer Volksgenosse nur für seine eigenen Leute zuständig sieht.

Aber die Frau findet sich nicht damit ab. Sie widerspricht Jesus vehement und fordert seine Aufmerksamkeit ein. Da wird er sogar einigermaßen unhöflich und sagt, es sei nicht recht, den Kindern das Brot wegzunehmen und es vor die Hunde zu werfen. Die Kategorie „Hund“ ist in diesem Kulturkreis so ziemlich die unterste Schublade. Mehr Verachtung geht eigentlich nicht. Die Frau aber lässt sich davon nicht abschrecken. Sie kontert geschickt und meint, dass die Hunde eben doch schon immer von den Brocken leben, die von der Herren Tische fallen. Das bringt Jesus offenbar ins Nachdenken. Augenblicklich verabschiedet er sich von seinem bisherigen Standpunkt, wendet sich der Frau nun endlich zu und stellt fest: „Frau, dein Glaube ist groß!“

Er verweigert ihr seine Hilfe nicht länger, weil er erkannt hat, dass sie recht hat. Weil Gottes Zuneigung und Liebe nicht exklusiv nur auf das eigene Volk gerichtet ist, sondern grenzenlos allen Menschen gilt. Nicht auszudenken, was passieren wird, wenn wir wie er lernen, so mit unseren Standpunkten umzugehen.

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