Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

20JUN2024
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Neulich habe ich eine Mutter mit ihrem Baby beobachtet. Gerade noch hat das Baby erbärmlich geschrien. Kurz darauf hört man nur noch zufriedenes Glucksen und leise Schmatzgeräusche. Mit großen Augen betrachtet das winzige Wesen seine Mutter, während es an der Brust trinkt – und wirkt dabei so tiefenentspannt, dass ich beim Beobachten auch gleich ganz ruhig werde.

Bei mir ist es nun schon Jahre her, dass ich gestillt habe – aber ich erinnere mich auch noch gut an dieses Glück, wenn das Baby aufhört zu quengeln und einfach zufrieden trinkt.  An das Gefühl von Nähe und Geborgenheit in diesem Moment… Für mich einfach ein kleines Wunder.

Was ich lange nicht wusste: Es gibt auch ein Gebet in der Bibel, das vom Stillen spricht – und von der wunderbaren Ruhe und Zufriedenheit, die sich dabei ausbreiten: Wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter, wie das gestillte Kind an meiner Brust, so ist meine Seele zur Ruhe gekommen. So heißt es im 131. Psalm in der Bibel.

Mir gefällt dieses Gebet gut. Einmal schon allein deshalb, weil hier offenbar eine Frau betet. Lange ist man wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass alle Psalmen Gebete von Männern sind. Erst eine neue Übersetzung hat mich drauf gebracht, dass das hier anders ist. In älteren Versionen ist nämlich vom Stillen gar nicht die Rede – vielleicht haben sich die Übersetzer davor gescheut, das zu so klar zu benennen.

Wie das gestillte Kind an meiner Brust, so ist meine Seele zur Ruhe gekommen. Das Gebet berührt vor allem, weil es so anschaulich und innig ist. Die Beterin beschreibt, wie sie im Vertrauen auf Gott loslassen kann – schwierige Fragen, die sie umtreiben, aber auch falschen Stolz und zu hohe Ansprüche an sich selbst. Ich gebe mich nicht mit Dingen ab, die zu groß sind … für mich, vertraut sie Gott im Gebet an. Vielmehr fand ich zur Gelassenheit zurück und meine Seele konnte zur Ruhe kommen wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter.

Ja, solche Momente kenne ich auch – Momente, in denen die Seele zufrieden ist wie ein satter Säugling. Für mich haben diese Momente, genau wie die Beterin es im Psalm beschreibt, mit Vertrauen zu tun. Mit Gottvertrauen, aus dem Selbstvertrauen wächst – und das Vertrauen zu anderen Menschen.

Ich weiß: Es ist nicht immer möglich, dieses Vertrauen so ungebrochen zu spüren. Aber ich glaube: Gerade weil das Leben so viele komplizierte Herausforderungen an uns stellt, tut es mir gut, immer wieder loszulassen und mich anzuvertrauen – anderen Menschen und auch Gott. Und dann zu spüren: Meine Seele ist zur Ruhe gekommen – wie ein gestilltes Kind bei seiner Mutter.

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