Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

19JUN2024
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Heute Abend kommen sie nach Stuttgart, die deutschen EM-Kicker – das erste Deutschlandspiel im Ländle! Vielleicht sind Sie ja sogar vor Ort dabei – in der Fan Zone in der Stuttgarter Innenstadt oder gar im Stadion? Aber egal ob Fan oder Fußballmuffel: Auf eine friedliches und faires Fußballfest auf den Straßen und auf dem Rasen hoffen wohl alle.

Auf dem Platz sorgen die Schiedsrichter dafür, dass fair gespielt wird – wenn nötig auch mit einer gelben oder gar roten Karte. Gelbe und rote Karten – die kennt jeder. Aber haben Sie beim Fußball auch schon mal von einer weißen Karte gehört? Die kennt kaum jemand – aber es gibt sie. Vom portugiesischen Fußballverband wurde sie vor einigen Jahren eingeführt – erst für die Jugend, inzwischen auch bei den Fußballfrauen.

Bei der EM werden keine weißen Karten gezeigt. Schade eigentlich – die Grundidee ist nämlich gar nicht schlecht, finde ich: Die weiße Karte ist eine "Fairplay-Karte“. Sie soll respektvollen Umgang auf dem Platz belohnen: Sich bei Fehlern zu entschuldigen, Schiedsrichterentscheidungen zu akzeptieren oder Mitspieler zu unterstützen.

Manchmal, so habe ich den Eindruck, wäre so eine weiße Karte nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch im Alltag eine gute Sache. Denn auch da verteilen wir verbal gerne mal gelbe und rote Karten – an andere Verkehrsteilnehmer, aufmüpfige Kinder oder andere Leute, die nicht tun, was wir für richtig halten. Geschimpft ist schnell – aber wie wäre es, das Repertoire auch mal um eine weiße Karte zu erweitern und zur Abwechslung anderen deutlich zu sagen: Das hast du richtig gut gemacht. Zum Beispiel: Vielen Dank, dass Sie so perfekt eingeparkt haben – jetzt passe ich auch noch daneben!  Oder: Super, dass du aufgestanden bist und deinen Platz im Bus dem älteren Herrn angeboten hast.

Als Christin kann ich die Sache mit der weißen Karte sogar noch weiterdenken. Denn bei Gott kommt die weiße Karte sogar zuerst – noch bevor mich besonders vorbildlich verhalten habe oder eine besondere Leistung gezeigt habe. Eigentlich noch bevor ich irgendetwas gemacht habe. Der Theologe Eberhard Jüngel hat es mal so gesagt: Christus hat uns angenommen … deshalb verdient ein jeder von uns einfach dafür, dass er da ist, zumindest ein wenig gelobt zu werden.

Ich finde jedenfalls: Für die weiße Karte gibt es viele Verwendungsmöglichkeiten. Nicht nur auf dem Rasen. Es lohnt sich, das Kartenrepertoire in unserer Hosentasche zu erweitern. Statt einer gelben oder gar roten Karte auch mal die weiße zu zücken und so zu zeigen: Finde ich gut!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40120
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