Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

18JUN2024
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Auch bei uns in der Stadt gibt es jetzt an verschiedenen Stellen sogenannten Shared Space – gemeinsam genutzten Raum. Hier teilen sich Menschen, die zu Fuß, auf dem Rad und im Auto unterwegs sind, dieselbe Straße. Alle müssen aufeinander Rücksicht nehmen. Die Hoffnung ist, dass so weniger Unfälle passieren – und tatsächlich: Meistens funktioniert es, weil alle vorsichtiger unterwegs sind.

Aber nicht allen gefällt das Konzept, denn: Teilen ist anstrengend! Klar, ich merke es auch: Hier kann ich nicht einfach flott durchradeln wie auf einem Radweg. Und als Fußgängerin muss ich besser aufpassen als auf dem Gehweg. Es ist anstrengend, ständig auf andere zu achten.

Teilen ist nicht leicht. Das gilt nicht nur für die Straße. Aber mich frustriert es manchmal, dass wir Menschen oft so schwer miteinander klarkommen, wenn wir etwas teilen sollen. Dass zum Beispiel schöne alte Häuser mitten im Ort leer stehen, weil die Erben sich nicht einigen können, was damit geschehen soll. Obwohl Familien dringend Wohnraum suchen – und es für das Klima und den Hochwasserschutz besser wäre, nicht immer neue Flächen mit Neubaugebieten zu versiegeln.

Oder, anderes Beispiel: Es irritiert mich, wenn Leute mir erzählen, dass sie immer mit dem eigenen Auto fahren, weil sie es so unangenehm finden, mit fremden Leuten im Zug zu sitzen. Auch da sollten wir es doch schaffen, so gut aufeinander zu achten, dass sich alle einigermaßen wohlfühlen – und sich dann auch einen Wagen teilen können.

Die ersten Christinnen und Christen, von denen die Apostelgeschichte in der Bibel erzählt, waren da grundsätzlich anders drauf: Alle hielten zusammen, und sie teilten allen Besitz. Immer wieder, so heißt es in der Bibel, verkauften sie Grundstücke oder sonstiges Eigentum. Den Erlös verteilten sie an die Bedürftigen – je nachdem, wie viel jemand brauchte.

Dabei gab es natürlich auch mal Ärger. Denn diese Gemeinde in Jerusalem damals war nicht nur ein winziger verschworener Zirkel von Menschen, die sich sowieso gut verstanden. Im Gegenteil, es kamen ständig neue Leute dazu – und zwar Menschen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern, religiösen Richtungen und gesellschaftlichen Schichten.

Alles miteinander teilen? Heute sind wir von so einer Haltung oft weit entfernt. Aber gerade deshalb ist es wichtig, sich von Ursprüngen der eigenen Religion herausfordern zu lassen. Und zu überlegen, wo es möglich ist, mehr mit anderen zu teilen.

Ich glaube, wir tun gut daran. Denn unsere Erde ist zwangsläufig auch ein Shared Space. Die müssen wir gemeinsam nutzen, denn wir haben nur die eine. Deshalb bleibt nichts anderes übrig, als miteinander auszukommen. Und zu teilen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40119
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