SWR4 Feiertagsgedanken

30MAI2024
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Heute liegen Blumenbilder auf den Straßen. Fahnen wehen. Die Menschen sind festlich gekleidet. Musikvereine und Blaskapellen spielen. Es ist Fronleichnam: ein großes Fest der katholischen Kirche. Das wird aber nicht in der Kirche, sondern auf der Straße gefeiert.

Ich bin evangelisch. Dieses Fest ist mir eher fremd, darum will ich gar nicht herumreden. Aber mit allen, die heute feiern, die sich heute freuen – mit denen freue ich mich gerne mit! Und wenn die Musik spielt, wenn ich die schönen Bilder aus den vielen Blumen sehe – dann habe ich auch etwas von ihrer Freude!

Ich lebe auf dem Hunsrück. Hier gibt es immer noch ganz katholische und ganz evangelische Dörfer. Die kleinen Städte dagegen, die sind seit Jahrhunderten gemischt. Aber zum Glück sind die Zeiten vorbei, in denen die Evangelischen an Fronleichnam den Mist gefahren haben. Und dafür die Katholiken an Karfreitag die Fenster geputzt haben. Stattdessen höre ich heute den Satz: „Wir haben doch alle einen Herrgott!“ Ja, da ist etwas dran. Trotzdem sind die Unterschiede zwischen Evangelisch und Katholisch noch da. Und die möchte ich nicht kleinreden. Jahrhundertelang wurde heftig darüber gestritten, wer jetzt richtig glaubt und wer auf dem Holzweg ist. Ganze Kriege wurden darüber geführt. Da empfehle ich etwas anderes: Schauen Sie doch einfach mal, was bei den anderen schön ist! Und schauen Sie dann bei sich selbst: Was ist in Ihrer eigenen Art zu glauben schön?

Das finde ich als Protestant bei den Katholiken schön: Wie hier das, was normalerweise in der Kirche passiert, auf die Straße getragen wird. Mit Blumen, Musik und feinen Kleidern. Wie das in der Gemeinschaft vorbereitet und gefeiert wird. Wie Menschen zeigen, was sie glauben, wie sie den Glauben schön herausputzen und herzeigen. Ein Glaube, den man sehen, hören, fühlen und schmecken kann. Ein Glaube für alle Sinne. Ein schöner Glaube. Ohne das würde auch mir etwas fehlen!

Es gibt Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen. Manches bleibt mir bei meinem Gegenüber fremd. Anderes bewundere ich. Meinem katholischen Gegenüber wird es mit mir genauso gehen. Und dann stimmt der Satz, den mir besonders ältere Menschen sagen: „Wir haben doch alle nur einen Herrgott!“ Ja, Gott ist einer. Aber wir Menschen, wir sind verschieden. Wie die verschiedenen Blumen, aus denen heute ein schönes Bild gelegt wird!

Zu einem schönen Glauben passen keine Missgunst, keine Gehässigkeit, kein Neid. Auch keine Angst und Bitterkeit, kein falscher Stolz, kein Triumph auf Kosten anderer. Ein schöner Glaube feiert und lernt. Er ist glücklich und teilt das gerne mit den anderen. So ist heute auch ein Fest für mich!

Und im Mittelpunkt dieses Festes steht Jesus. Wir alle gehören zu ihm. Auch wenn wir uns untereinander nicht immer verstehen. Auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, auch wenn wir uns streiten. Die ersten Jünger haben das auch getan.

Aber Jesus hat mit ihnen allen gefeiert. Er hat mit ihnen allen das Brot gebrochen. Und das ganze schöne Fest heute dreht sich um ein kleines rundes Stück Brot: die Hostie. In einem kostbaren Gefäß wird sie durch die Straßen getragen: Schaut her! Unser Geheimnis des Glaubens! Das ist wirklich ein Geheimnis, das ist wirklich kaum zu glauben: dass diese Hostie nicht einfach nur ein Stück Brot ist, sondern der Leib von Jesus Christus. So glauben es katholische Christen. Sie feiern, dass Jesus seinen Leib für uns Menschen gibt. Wir Evangelischen betonen eher etwas anderes: dass wir als Abendmahlsgemeinschaft selbst der Leib Christi sind. Alle zusammen und verbunden durch Brot und Wein. In unserer Kirche stehen wir beim Abendmahl im Kreis und fassen uns hinterher an den Händen. So kann man das sehen, was wir glauben. Wir feiern das sicher anders als unsere katholischen Geschwister. Aber dass es etwas zum Feiern ist, dass Christus uns verbindet, dass es schön sein und sich gut anfühlen soll – das haben wir uns dann vielleicht doch von ihnen abgeguckt! Denn früher war das Abendmahl bei uns Evangelischen oft eine todernste Angelegenheit.

Und diese Gemeinschaft als Leib Christi – die sollen wir auf die Straße tragen. Jesus Christus hat keine anderen Hände als unsere Hände. So heißt es in einem alten Gebet. Christus hat keine Füße, nur unsere Füße, er hat nur unsere Lippen. So sind wir wirklich der Leib Christi. Alle zusammen sind wir die Hände und Füße Christi, sind wir Jesu Mund und Jesu Ohren. Mit dem, was wir heute tun. Mit den Händen, die wir reichen und auflegen. Mit den Wegen, die wir zu anderen gehen. Draußen, auf den Straßen. Wo es regnen und stürmen kann, wo es auch übel und gefährlich werden kann. Caritas – Nächstenliebe – heißt das bei den Katholiken. Diakonie – Dienst – nennen wir Evangelischen es.

Wir sind der Leib Christi. Füreinander und für die Welt. So wünsche ich uns ein gesegnetes Fronleichnamsfest!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=40005
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